Mittwoch – Pardubice – Jaromer (45 km)
Heute ist ein furchtbarer Tag. Es schüttet wie aus Eimern 😦 Mir geht es nicht gut, ich habe Probleme mit meinem Asthma und bekomme nicht all zu gut Luft. Keine guten Voraussetzungen zum Velo fahren. Doch eins nach dem Anderen. Der erste Weg führt mich zum Velohändler. Der hat bereits um 08:00 Uhr geöffnet, und nach einer kurzen Erklärung – Hände sind ein sehr nützliches Kommunikationsmittel – kommt mein Velo auch gleich „in Behandlung“. Als dann irgend wann die Scheibenbremse in Einzelteilen auf dem Tisch liegt wird mir dann doch ein bisschen Bange ob der Kollege das wieder alles aneinander bekommt? Der Veloladen gleicht eher einem Haushaltswarenhändler, über Pfannen und Töpfe bis hin zu diversen Autoteilen ist alles zu haben. Aber meine Sorge ist unbegründet, ein perfektes Zentrieren und der Verkauf eines neuen Mantels inklusive Montage sämtlicher Einzelteile schliessen die Operation ab. Das Ganze hat mich bei gut einer Stunde Arbeit – Fehleranalyse, Bearbeiten der Felge, Zentrieren, neue Speiche, neuer Mantel – knapp 20 Franken gekostet. 🙂 Eine perfekte Arbeit – wie mein heimischer Velohändler in der Schweiz später feststellt….
Danach war ich in den Regen entlassen, es sollte ein sehr mieser Tag werden, die reine Willensleistung hat mich nach Jaromer gebracht. Es lag nicht an der Strecke, sonder an meiner zunehmend mieser werdenden Kondition. Jede etwas intensivere Anstrengung wurde mit Hustenanfällen und schöner rasselnder Ausatmung belohnt. 😦
Nichts desdo trotz ging die Reise mit offenen Augen weiter. Neben dem Ruderclub „Arosa“ habe ich Kilometer „1000“ erreicht. Das hat mich sehr motiviert, Kilometer 1000 deshalb, da die Tschechen ab Mündung Cuxhaven die Kilometer rückwärts zählen…
Zu den gesundheitlichen Problemen kamen dann auch noch rein Praktische: Der Regen hat diverse „Teile“ von den Bäumen fallen lassen, die die hässliche Angewohnheit haben sich mit Vorliebe in der Scheibenbremse anzusammeln….
Also alle paar Minuten anhalten und Bremse putzen. Das das der Durchschnittsgeschwindigkeit nicht wirklich zuträglich war, kann man sich vermutlich vorstellen. Irgend wann musste ich was für meine Psyche tun und habe jemanden porträtiert der noch langsamer unterwegs war als ich 🙂
Nach gefühlt unendlich langen Kilometern komme ich in Jarmer an – völlig am Ende meiner Kräfte. Zur Belohnung stehe ich vor verschlossener Hoteltür – aber ein Anruf genügt um den Hausherren herbei zu zaubern. Der erste Weg ist für drei Stunden ins Bett, Duschen und Essen kommt erst später….
Am Abend frage ich mich sehr ernsthaft was ich machen soll. Tour abbrechen? So kurz vor dem Ziel? Arzt aufsuchen? Weiter fahren? Morgen steht der der Aufstieg nach Spindlermühle an, 260 Höhenmeter auf 15 km. Normalerweise kein Problem, aber mit knapp 45 kg (Rad + Gepäck) zwischen den Beinen, Atemproblemen und schlechter Kondition, wird das funktionieren? Jaromer ist ein Eisenbahnknotenpunkt, es wäre eine gute Möglichkeit zurück nach Prag zu kommen…
Ich entscheide mich fürs Weiter fahren, Abbrechen kann ich immer noch. So kurz vor dem Ziel bin ich nicht bereit aufzugeben. Zur Not gäbe es noch am Abend den Riesengebirgs-Velobus der mir die schlimmste Steigung abnehmen könnte…..
Donnerstag – Jaromer – Spindlermühle (54 km + Transfer)
Morgens rollt es sich besser als gedacht, ich bin mit sehr viel Ruhe und sehr langsam unterwegs. Eben schneckenmässig 😦 Dann kommt ein wunderschöner Stausee – Les Kralovstvi. Hier mache ich Mittag.
Frisch gestärkt mache ich mich nun an einem Streckenabschnitt, der mir bereits seit ein paar Tagen ein wenig Sorgen macht. Es geht leicht bergauf und es handelt sich um eine Strasse mit 3-stelliger Nummer. Es handelt sich um die Strasse Nr. 299, eine wichtige Verbindung zwischen Tschechien und Polen. Leider beweisen sich meine Befürchtungen als sehr realistisch. Polnische und Tschechische LKWs kommen mir bei ihren rasanten Überholmanövern gefährlich nahe. Kurz vor Hostinne biegen die zum Glück ab, aber ich bin defintiv mental und körperlich am Limit angelangt. Den Aufstieg nach Spindermühle werde ich so nicht schaffen 😦
Von meiner gestrigen Recherche weiss ich, dass der RiesengebirgsVelo-Bus vom zentralen Busbahnhof in Vrchlabi abfährt. Nach einer guten halben Stunde Pause – und ein paar Hüben Dosieraerosol (Asthma-Droge) – fühle ich mich in der Lage gemütlich nach Vrachlabi zu fahren. Der Busbahnhof ist relativ schnell gefunden, aber nicht ohne vorher noch eine interessante Auseinandersetzung mit einer Tschechischen Autofahrerin gehabt zu haben. Zebrastreifen scheinen in Tschechien eine andere Bedeutung zu haben, wie in anderen Teilen der Welt….
Am Busbahnhof muss ich feststellen, dass er Bus erst spät am Abend fährt. Das würde gut 4 – 5 Stunden rumm lungern am Busbahnhof bedeuten. Dazu habe ich weder die Lust noch die Kraft. Eine Smartphone-Recherche fördert ein Taxiunternehmen in Spindermühle zu Tage. Man ist bereit mich mitsamt meinem Velo zu holen und den Berg hoch zu chauffieren. Ich breche dafür meine Bargeldnotfall-Reserve an, aber dafür ist sie gedacht. Das Taxi kommt nach einer guten halben Stunde – ein VW-Transporter – und wir fahren in gut 20 Minuten den Hügel nach Spindernühle rauf. Der Ort erinnert mich sehr an den Harz, ich fühle mich auf Anhieb wohl. Auch die Pension ist gut gewählt, sie liegt herrlich ruhig an einem Seitenhang.
Den Tag lasse ich ausklingen bei reichlich schwarzem Bier, einem typischen Tschechischen Essen und schaue das Deutsche Fussballspiel an. Gesunheitlich geht es mir so schlecht, dass ich mich entscheide mir einen ordentlichen Batzen Cortison in Tablettenform einzuwerfen – so was spreche im Vorfeld mit meinem Lungenarzt ab, das gehört für mich zur Reisevorbereitung. Ich habe ein Therapieschema, dass ich im Bedarfsfall anwenden kann. Dazu Anmerkung aus heutiger Sicht: Wir haben letztens im Sinne einer Manöverkritik – mein Lungenarzt und ich – die ganze Sache nach besprochen. Ich habe fast richtig reagiert, nach seiner Auffassung hätte ich nicht weiter fahren dürfen. Aber das war für mich an dieser Stelle keine Alternative…
Freitag – Wanderung zur Elbequelle (ca. 14 km zu Fuss)
Statt mit dem Velo entscheide ich mich für die Wanderung zur Elbequelle. Zum Glück geht es mir heute etwas besser, aber Luftsprünge sind nach wie vor keine drin. Daher entscheide ich mich für den Weg mit der Seilbahn….
Die Wanderung ist wunderbar, auch wenn sich der Weg zieht, aber irgend wann ist das Ziel erreicht, ein unscheinbarer „Wasserpott“, die symbolische Elbequelle.
Für mich ist das ein sehr emotionaler Moment. Nach der ganzen Quällerei es doch noch geschafft zu haben erfüllt mich mit sehr tiefer Befriedigung. Trotz aller Widerstände habe ich das Ziel erreicht. Zwar nicht immer ganz aus eigener Kraft, aber auch Improvisationstalent und das sich Einlassen auf unbekannte Dinge machen den Reiz einer Radreise aus 🙂
Entsprechend stolz habe ich mich von einem andern Radreisenden ablichten lassen, für ihn begann an diesem Ort die Reise auf dem Elberadweg und gleichzeitig ein neuer Lebensabschnitt in die Rente….
Der Rest ist schnell erzählt. Jetzt wollte ich nur noch Heim – und das auf schnellstem Wege…..
Samstag – Spindlermühle – Kuncice nad Labem (22 km) – Zug nach Prag und weiter nach Hause
Ganz so schnell war der Heimweg dann doch nicht. Erst mussten diverse Kilometer auf dem Velo und im Zug absolviert werden. Die Krönung war dann noch ein Diebstahlversuch meines Velos in Prag am Bahnhof, aber ich habe es rechtzetig gesehen und der Herr hatte keine Lust mit mir eine körperliche Auseinandersetzung zu führen….
Fazit:
Eine sehr spezielle Reise die mir neben vielen schönen Seiten des Radreisens auch die unschönen Seiten gezeigt hat. Ich habe auf dieser Tour auf der einen Seite viel mentale Stärke gewonnen, aber auf der anderen Seite auch viel Selbstvertrauen in meine eigenen körperlichen Kräfte verloren. Das sollte sich bei meiner nächsten geplanten Unternehmung negativ auswirken. Dazu aber mehr in einem neuen Blogbeitrag.
Ich finde es schade, dass viele Elbewegreisende erst in Drseden in diesen Radweg einsteigen. Der Tschechische Teil ist wunderschön und es gibt vieles auf und neben den Weg zu entdecken. Auch wenn der Tschechische Autofahrer ein wirklicher „pain in the back“ darstellt, finde ich Tschechien ein fantastisches Radreiseland. Die Leute sind sehr freundlich, es gibt viel Eisenbahn und viele herrlich geführte Radwege – wenn man ein entsprechend robustes Rad mitnimmt. Ich freue mich auf jeden Fall schon auf weitere Touren in Tschechien. Zum Glück gibt es dort noch Einiges zu entdecken.
Solange es noch Nachtzüge gibt – die Deutsche Bahn behauptet die Nachtzüge seien nicht rentabel – werde ich sie fleissig nutzen. Rettet die letzten unsteigefreien grenzüberschreitenden Reisemöglichkeiten für die Velofahrer in Europa!!!