Magdeburg – Tangermünde (86 km)
Heute morgen sieht die Welt wieder anders aus 🙂 Das Wetter ist zwar wieder sehr regnerisch, aber dafür ist die Laune um so besser. Nachdem Magdeburg erfolgreich umfahren ist wartet als erstes das europäische Wasserstrassenkreuz auf mich.
Das schaue mich mir genau an, bekanntlich habe ich für Verkehrsmittel ein Fable. Danach geht es gleich munter weiter, heute ist laufend „Regensachen anziehen“, „Regensachen ausziehen“ angesagt. Trotzdem macht das Fahren viel Spass, insbesondere da der Wind zur Abwechselung mal von hinten statt von vorne kommt.

Bockwindmühle
Irgend wann ist es dann mal wieder so weit, aufgrund Hochwasserschäden gibt es eine lange Umleitung, die nicht ganz optimal ausgeschildert ist.
Ich verfahre mich gnadenlos und lande mal wieder auf den „Knochenbrecherwegen“ aus den tollen Betonplatten.
Das war aber noch der bessere Teil der Tour, denn nachdem ich dann die Umleitung wieder gefunden hatte, ging es bis Tangermünde auf eine viel befahrene Bundestrasse 😦 Hier war es mörderisch, ein LKW hat mich fast vom Velo geholt. Trotz Umleitung des Radwegs – und keiner Alternative – war weit und breit keine Geschwindigkeitsbegrenzung zu sehen. Toll, wenn Autos mit gut 110 km/h an einem vorbei rauschen….
Irgend wann war dann Tangermüde errreicht. Zum Glück ohne grössere Blessuren, dafür ist die Stadt wunderbar. Auch merke ich, dass ich langsam nach Norden komme.


Seitenstrasse

Wunderbare Details – eine Sternentür. Was sich dahinter verbirgt?

Da geht’s runter – zum Hafen


Armer alter Speicher in Tangermünde – keiner hat ihn mehr lieb 😦

Altes Stadttor – vom Hafen aus gesehen
Ich übernachte in einem Gasthaus welches den Begriff „Brauerei“ im Namen führt. Leider ist aber keine Brauerei zu sehen…..
Tangermünde – Wittenberge (81 km)
Dieser Tag ist ein Windtag. Wind von Vorne. In einer Heftigkeit wie lange nicht erlebt. Gleichzeitig ein Freudentag für mich, endlich kann ich das Bundesland „Sachen-Anhalt“ hinter mir lassen. Langsam habe ich einen „Ostkoller“ und auch merke ich meine Knochen und Muskeln. Der Wind zieht mir alle Kraft auf dem Körper.
Dieses Wehr stellt die Grenze zwischen Sachsen-Anhalt und Brandenburg dar. Danach ging es dann gut zehn Kilometer frontal gegen den Wind.
Dann gabs eine Überraschung, dass „Knopppoint“-System aus Holland in Brandenburg! Würden das doch alle machen, dann hätte es der Radreisende viel einfacher….
Die Tour führt mich weiter durch ein Storchendorf und zum Glück rückt Wittenberg bald in Sichtweite, der Wind ist wirklich mörderisch heute.
Als Erstes bekomme ich von Wittenberg den alten Singerturm zu sehen, Nähmaschienen werden keine mehr gebaut, aber das Werksgelände gibts noch. Statt dessen wurde ein tolles Hotel „Alte Ölmühle“ mit Hausbrauerei gebaut – mein heutiges Nachtquartier. Mit hat das Haus sehr gefallen, da man altes Fabrikgelände gefühlvoll renoviert und zum Hotel umgebaut hat.

Hotel Alte Ölmühle – Haupthaus
Abends beim „Biertest“ merke ich wie fertig ich bin. Macht fahren morgen Sinn? Wäre nicht ein Ruhetag angebracht? Ich verschiebe die Entscheidung auf den nächsten Morgen….
Wittenberge – Hamburg
Heute morgen ist im wahrsten Sinne „Sauwetter“.
Es schüttet in Strömen und es ist kalt. Daher ist die Entscheidung schnell gefallen. Es gibt einen Zugtransfer nach Hamburg. Damit entgeht mir zwar ein wichtiges – und sicherlich auch schönes – Stück des Elberadwegs, aber damit ist klar, dass ich auch Cuxhaven erreichen kann. Hotels werden umgebucht und Zugverbindungen nachgeschlagen. Die Reise wird via Schwerin nach Hamburg führen.
Der Zugtransfer ist angenehm unspektakulär bei der Ostbahn kann ich problemlos in den Wagen rollen, auch das Umsteigen in Schwerin ist sehr einfach. Hamburg kenne ich zum Glück…

Fünfbett-Zimmer für mich alleine…
In Hamburg erwische ich ein Riesenzimmer. Das kommt davon wenn man kurzristig bucht…
Der Abend in Hamburg ist lustig, essen gehe ich am Hafen in eine Hausbrauerei. Dort sitze ich mit anderem Leuten am Tisch, wir kommen ins Gespräch…
Hamburg – Stade (59 km)
Heute ist ein spezieller Tag für mich. Die letzte Fährüberfahrt der Reise steht an. Viele Fähren habe ich beutzt, angegangen bei der Minifähre über die Moldau. Mir wird bewusst, dass ich diese Reise erfolgreich abschliessen kann. Und das keine sechs Monate nach meiner Hüft-OP!
Als Erstes gibt es aber, die Landungsbrücken zu finden. Eigentlich kein Problem – denk ich mir, Leider finde ich mal wieder den Abzweig nicht und lande in den Tiefen der Speicherstadt.
Also versuche ich es mit dem Navi. Leider Fehlanzeige – Navigationsfehler 😦 Zum Glück funktioniert das gute alte Prinzip des Fragens. Irgend wann stehe ich dann von der Rikmars Rikmarsen 🙂
An all den Touristen geht es dann runter auf die Landungsbrücken um meine letzte Fährüberfahrt dieser Tour in Angriff zu nehmen. Was für ein Riesenschiff, dazu noch mit voll automatischem Steg!
Unterwegs gibt es herrliche Ausblicke.

Speicher – von der Hafenfähre aus gesehen. Vermutlich heute ein sündhaft teures Loft…

Kurz vor Finkenwerder stehen mir doch tatsächlich die Tränen in den Augen! Mir wird bewusst, dass ich es schaffen werde! Komme was da wolle.
In Finkenwerder sitze ich erst mal zehn Minuten auf dem Landungssteg bis ich mich selbst wieder gesammelt habe. In Anbetracht einer kurzen Etappe heute habe ich alle Zeit der Welt – denke ich.
Toll ausgeschildert, bis ich mal wieder irgend wo in der Pampa lande – wenn auch eine schöne Pampa 🙂 Ich lande auf dem Radweg „Altes Land“. Dieser führt herrlich Richtung Stade um dann irgend wann wieder in den Elberadweg über zu gehen.

Das Wetter ist gut und die tollen Fachwerkhäuser sind ein Genuss. Da ich reichlich Zeit habe bleibt Muse für diverse Kleinigkeiten am Weg.

Stade kannte ich bisher nur vom AKW. Ich bin sehr überrrascht, was Stade für eine tolle Innenstadt hat. Fachwerk und Jugendstilhäuser existieren einträchtig neben einander!

Wunderbare Fachwerkhäuser in Stade
Die Stadtbesichtigung macht eine Riesenfreude, insbesondere da ich auch in einem wunderbaren altem Fachwerkhaus übernachten darf. Am Abend gehe ich in eine Kneipe. So versackt bin ich schon lange nicht mehr:-) Und da sag noch einer die Nordländer seien kühl. Was haben wir gelacht 🙂 Das Blöde war nur, wo war noch gleich mein Hotel???
Stade – Otterndorf (82 km)
Zum Glück ohne Nachwehen erwachte ich heute morgen frisch und munter. Es ist der letzte richtige Fahrtag, und wie sollte es anders sein? Es regnet mal wieder…

Dann kommt ein Stück vor dem ich gewaltig Respekt habe. 30 km durch ein Naturschutzgebiet, einfach durch das Nichts. Zum Glück hat es inzwischen aufgehört zu regnen, dafür ist mein Freund der Gegenwind wieder da…

Weites Land – weiter Blick…
Tatsächlich ist das Stück unheimlich. Ich sehe keinen Menschen, dafür eine unendliche Menge an Vögeln, Kühen und Schafen…
Lamgsam wird mir bewusst, was ich in der miesen Zeit nach der OP gelernt habe. Durchhaltevermögen. Eine unglaubliche mentale Kraft die mir nun hilft die Einsamkeit, den Gegenwind und überhaupt die Kälte zu überwinden. Ich bin auf dieser Tour durch viele einsame Stücke gekommen, aber dieses zerrt trotz aller Schönheit an meinen Nerven. Auch wird mir langsam mein Trinkwasser knapp, der permanente Kampf gegen den Wind macht Durst….
Aber auch dieser Abschnitt – landschaftlich ein Traum – geht irgend wann zu Ende. Und ein Schild des Landkreises Cuxhaven zeigt mir, dass meine Reise bald zu Ende sein wird.

Ankunft im Landkreis Cuxhaven – bis zur Kubelbarke sind es jetzt bereits weniger als 50 km!
Wieder gehe ich durch ein Wechselbad der Gefühle. Auf der einen Seite die Freude bald am Ziel zu sein, auf der anderen Seite die Trauer, dass die Reise, und damit die unendliche Freiheit beim Radreisen, bald zu Ende sein wird.
Dies mal finde ich das Hotel dank Navi problemlos. Sobald ich eingecheckt habe, hält mich nichts mehr, ich will das Meer / die Elbemündung sehen!
Jetzt weiss ich, ich bin so gut wie am Ziel. Noch 30 Kilometer bis Cuxhaven….
Otterndorf – Cuxhaven (26 km)
Heute ist ein Freudentag. Noch 30 km zu fahren, das Ziel vor Augen. Der Weg führt zu meiner grossen Freude direkt am Wasser entlang. Leider auch durch eine Schafherde. Das am Morgen mit viel Liebe geputzte Velo ist in kürzester Zeit voll mit Schafka..e. Der Weg ist so glitschig, dass ich absteigen muss und schieben muss. Damit bin ich dann leider auch voll. Was für ein Duft…
Aber meine Laune ist heute durch nichts zu zerstören. Cuxhaven ist bald erreicht, der Radweg führt durch den Hafen.
Und dann ist es soweit. Leider darf das Velo nicht mitgenommen werden und es muss drei Euro Kurtaxe geblecht werden.

Die Kugelbarke in Cushaven – das Ziel vor Augen 🙂
Die Kugelbarke rückt in den Blick. Das Gefühl ist unbeschreiblich…
Angekommen. Fast 1000 km auf dem Velo gesessen, viele neue Eindrücke gewonnen, um einige Erfahrungen reicher geworden. Jetzt kann ich es richtig geniessen 🙂

Lustigerweise verschiebt sich relativ schnell mein Fokus. Ich will nach Hause. Heim in die Schweiz. Aber vorher gönne ich mir das lang erwartete Granatbrötchen – leider war es in der Fantasie viel leckerer als in echt 😦
Heimreise
Am Bahnhof in Cuxhaven versuche ich notdürftig mein Velo mithilfe von Trinkflasche und Stock von den gröbsten Spuren der Schafka..e zu reinigen. Das gelingt mehr schlecht als recht 😦
Im Metronom ist es dann egal, das Veloabteil gehört fast mir alleine.
In Hamburg angekommen verlasse ich schnell das Bahnhofsgebiet, da heute Fussball ist – HSV gegen Werder Bremen. Die Zeit schlage gepfelgt am Jungfernsteg tot….
Irgend wann ist es an der Zeit wieder Richtung Bahnhof zu gehen. Der Nachtzug ist pünktlich, der Stellplatz und das Bett reserviert und schnell bezogen. Ich geniesse den Abend im Speisewagen an einer gigantischen Theke mit anderen Gästen.

Im Nachtzug kurz vor Zürich
Morgens gibts wieder ein „Boxed Frühstück“, der Zug ist pünktlich in Zürich. Die Rückreise nach Chur ist angenehm langweilig und wie üblich scheint im Bündner Land die Sonne 🙂

Wieder im heimischen Graubünden, natürlich wie üblich sonnig:-)
Ich fahre die letzen Kilometer nach Hause. Zu Hause angekommen sitze ich locker zehn Minuten vor der Tür und kann mich nicht dazu durch ringen dass Velo abzuladen. Denn das heisst, das die Reise entgültig vorbei ist. Sie wird zur Vergangenheit und lebt nur noch in meinem Kopf respektive in diesem Blog. Irgend wann muss es dann sein. Abladen. Velo weg stellen. Taschen auspacken und Waschmaschiene beladen. Vorbei…
Es war eine herrliche Tour. Das Schöne am Ende ist, dass man bald wieder eine neue Tour anfangen kann.
Im letzen Blogeintag zu dieser Tour werde ich noch ein bisschen Fazit ziehen und mich zum Thema Navigieren aulassen. Auch plane ich bereits weitere Abenteuer…..